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Fachartikel - Öko-Landbau-Beratung

 

Die Öko-Landbau-Beratung in den Neuen Bundesländern

Große landwirtschaftliche Unternehmen, sei es Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder Juristische Personen, sind das Kennzeichen für Agrarbetriebe in Ostdeutschland. Der Agrarbericht 2000 nennt für das Jahr 1999 eine durchschnittliche Betriebsgröße von 201 ha LN in den Neuen Bundesländern (NBL) und 29 ha in den Alten Bundesländern (ABL).

Die Strukturen in Ostdeutschland sind anders:

  • Liegt der Anteil der Betriebe über 100 ha LN in den ABL bei 4 % der Betriebe mit rund 20 % der Fläche, so sind es in den NBL über ein Drittel mit 93 % der Fläche. Die großen Agrargenossenschaften oder sonstige juristische Personen (GmbH, Aktiengesellschaften, eG), ganze 1,1 % der Agrarbetriebe in der BRD, bewirtschaften 20 % der Fläche.
  • Nicht die Familienarbeitskräfte (ABL = 70 % aller Aks), sondern Fremdarbeitskräfte dominieren bei weitem in den Agrarunternehmen in den NBL.
  • Ein Ackerstück kann auch mal 100 ha betragen. Wenig strukturierte Landschaft ist die Folge.
  • Der Pachtflächenanteil in den NBL liegt über 90 %, in den ABL knapp unter 50 % im Jahre 1998.
  • Der Ackerflächenanteil liegt in den NBL um ein Viertel höher (= 80 %) als in den ABL. Der Getreideanbau überwiegt.

Dazu kommen noch die Wendeentwicklungen:

  • Der Kampf um die Pachtflächen zu niedrigem Preis (pro Bodenpunkt zwischen 3-4 DM um 1990). Einfallende Westler mit oder ohne Kapital begehren gegen die sich umstrukturierenden LPGs und die Wiedereinrichter aus dem Osten ohne Kapital.
  • Notwendige Quantensprünge aus einer heruntergekommenen, ineffizienten Agrarproduktion zu DDR-Zeiten mit viel zu viel Arbeitskräften hin zu einer kapitalintensiven, Arbeitskräfte sparenden, hochintensiven, subventionierten Überschuß-Produktion des Westens.
  • Die Viehwirtschaft wurde ganz schnell kaputtreduziert. In den ABL gab es 1998 noch knapp über 100 Stück Rinder pro 100 ha LF, sind es in den NBL nur die Hälfte. Bei den Schweinen ist das Verhältnis 193 Stück pro 100 ha in den ABL zu 64 in den NBL, also nur ein Drittel.
  • Ökolandbau gab es in der DDR offiziell nicht. Wenn dann nur in absoluten Nischen in sehr geringem Umfang. Aber: Es gab und gibt nicht die ideologischen Vorbehalte gegen den Ökolandbau, denn zu DDR – Zeiten wurden relativ wenig Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger eingesetzt.

Nach 11 Jahren Wende haben sich rund 1000 AGÖL- Betriebe (ca. 90 % aller Biobetriebe, Stand 1.1.99) mit einer Fläche von 170.000 ha LN angesiedelt, was einer Flächenquote von 3 % gegenüber 1,64 % der Fläche in den ABL entspricht.

Den größten Anteil mit über 6 % finden wir in Mecklenburg-Vorpommern. Dort finden wir auf den sehr leichten Böden viele Mutterkuhhaltungsbetriebe auf großer Fläche (Biopark-Betriebe), denen die generellen Prämien plus Bio-Flächenprämie auch ohne Bio-Vermarktung für ein einigermaßen akzeptables Einkommen ausreichen. (Unter 40 % aller Rinder oder Lämmer werden zu sehr niedrigen Bio-Preisen bzw. konventionellen Preisen abgesetzt).

Die Direktvermarktung, ein bedeutender Betriebszweig in westdeutschen Familienbetrieben, tut sich äußerst schwer in den dünnbesiedelten Landstrichen im Osten. Selbst in den wenigen Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohner muß Mann/Frau einen langen Atem bei geringen Umsätzen (unter 1000 DM pro Markttag bei Verkaufszeiten von 7 – 18 Uhr !!) haben.

 

Was folgt daraus für die Produktion und die Beratung?

  • Masse macht’s!
  • (Personal)-Kosten gering halten!
  • Die Produktionsflächen ausdehnen, wenn Mann an die Fläche den kommt! Das heißt mauscheln, kämpfen und nachhelfen!
  • Die Flächen tauschen, was das Zeug hält, auch wenn Mann sich Spinnefeind ist! Der Betrieb muß arrondiert werden. Da dieses Ziel für alle gilt, verringert sich die Feindschaft ein wenig.
  • Das nötige Kapital beschaffen! Dies kommt zum allergrößten Teil von der Bank als Kontokorrent für das alltägliche Auf und Ab der Ausgaben und Einnahmen (6-stelliger DM-Betrag) und als Investitionskredite für Maschinen, Vieh und Gebäude (Denn oft kommt man erst an das Land, wenn der Pächter die alten Gebäude zu einem günstigen Preis von der BVVG erwirbt!). Nur die Banken sind nicht mehr so blauäugig wie in der Wendezeit! Eigenkapital oder absicherbare Werte sind sehr gefragt!
  • Arbeitskräfte einstellen mit zu hohen Kosten trotz niedriger Löhne bzw. Bezuschußung und oft unzureichender Qualifikation und Motivation !
  • Den sozialen Frieden in den Dörfern durch Einstellung von lokalen Arbeitskräften bewahren bzw. fördern, die in der Regel mit ihren Eigentumsflächen umworben werden wollen. Dies gilt gerade für Agrargenossenschaften, die im Dorf den größten Arbeitsgeber darstellen.

 

 

Wo werden nun die Ökoberater gebraucht, aber nicht immer gerufen?

An erster Stelle steht die Betriebsentwicklung, d. h. bei einer Neugründung eines Betriebes wird die Umstellung (Flächennutzung, Tierhaltung) im Rahmen eines betriebswirtschaftlichen Konzeptes inkl. aller investiven Aktivitäten und Förderanträge geplant und begleitet.

Soll ein bestehender (Teil)-Betrieb ohne investive Maßnahmen umgestellt werden reicht oft der Plan für die Umstellung der einzelnen Flächen und ein intensiver Austausch über die Entwicklung der Kulturen.

Wesentlich von Anfang an ist, die Einführung einer Schlagkartei und eines "Vieh"planers in Verbindung mit einer aussagekräftigen Buchhaltung mit Kostenstellenrechnungen, damit alle Produktionsverfahren ohne viel Aufwand kontrolliert werden können. Geringe Leistungen und hohe Kosten - zwei- bis dreihundert DM pro ha oder Kuh und Jahr können bei 500 Einheiten schnell 6-stellige DM-Beträge ausmachen - entscheiden über die Entwicklungsfähigkeit des Betriebes. Denn wenn die Bank bei den hohen Pachtzahlungen und Tilgungen erst mal den Kontokorrent dicht macht, dann werden die Knie weich.

Stichwort: Jahresliquiditätsplan und laufende Kontrolle, auch wenn‘s schwerfällt, die bittere Wahrheit ständig zu sehen.

Über ein Viertel aller Haupterwerbsbetriebe in Sachsen-Anhalt und Thüringen sind akut in ihrer Liquidität gefährdet. Die geringen Eigenkapitalanteile schmelzen dahin wie der Schnee im Mai. Gerade bei den Juristischen Personen ist der Zustand alarmierend. (Dann gibt’s bei den kommenden Milchquotenbörsen viel Milchquote zu kaufen!! Das nennt man denn Strukturwandel!)

In den größeren Betrieben von 800 – 1500 ha LN und Viehhaltung ergibt sich automatisch eine Arbeitsteilung in den Betriebsabläufen. Die Geschäftsleitung sitzt gar nicht mehr auf dem Schlepper oder treibt die Rinder um. Die Führung von vielen Mitarbeitern mit all ihren persönlichen Beziehungen, Fördermittel- und Prämienbeantragung (wichtigster Betriebszweig), das ständige Kontrolling und die Handhabung der Finanzschwächen, permantente (Re)-Investitionen und gleichzeitig die Anpassung an den Markt und die düstere (Subventions)-Zukunft überfordern leicht die Geschäftsleitung. Hier gibt es viel zu tun, wenn man als Berater daran arbeiten dürfte. ( Aber wer gibt schon gerne seine Schwächen zu!!)

In der Tierhaltung, gerade in der ökologischen Milchviehhaltung ohne Biomilch-zuschlag, sind Verluste vorprogrammiert. Dann ist das Management gefragt. Oft muß die soziale Frage gestellt werden: denn wenn das Unternehmen aus dem Betriebszweig Viehhaltung nicht den Lohn für die Mitarbeiter erwirtschaftet, dann muß (weg)-rationalisiert werden, bei Mensch und Tier. Selbst wenn der Ackerbau in den letzten Jahren diese Verluste decken konnte, sind diese Zeiten vorbei, da der Subventionsabbau pro ha 100 – 200 DM/ha LN und Jahr kosten wird.

Im Ökolandbau konnte in den letzten zwei Jahren im Ackerbau gutes, dringend notwendiges Geld verdient werden, weil die Nachfrage so stark war und die Preise geklettert sind.

Wir können die nächsten 5 Jahre trotzdem nicht eindeutig prognostizieren, ob denn der Trend hält.

Die Produktionstechnik wird in der Regel nur dann nachgefragt, wenn

  • es sich um einen gänzlich neuen Betriebszweig handelt oder
  • die Zahlen in der Buchführung Alarm auslösen und dies zum schnellen Handeln zwingt.

Wie in den ABL holen sich die Betriebsleiter und Mitarbeiter die Infos über Publikationen, Seminare und fachspezifische Arbeitskreise (noch selten! – aber hier gibt es viel Arbeit für die Berater!!)

 

Wo müssen Beratung und Unternehmen hinkommen?

  • Noch mehr betriebswirtschaftliches Denken und Handeln. Dazu liefert die Beratung die Instrumente und das "Treten" (neudeutsch "Coaching")!
  • Sehr individuelle Betriebsentwicklungen mit Unterstützung des Qualitätsmanagement der Produktion, Marktübersicht/Absatzkontakte und Finanzierung kommen von der Seite der Beratung!
  • Beraterteams müssen den Unternehmen kompetent das ganze Spektrum des Öko-Agrar-Wirtschaftens anbieten können!

 

Verbande und Beratung?

Soll die Verbandsnähe der Öko-Bauern gehalten werden, müssen die Verbände kostengünstige Dienstleistungen in der Beratung und dem Absatz anbieten.

Wenn keine eigene Beratung eingerichtet werden soll, kauft der Verband sich diese durch Rahmenverträge bei guten Beratungsunternehmen zu, die die Mitglieder dann zu günstigen Konditionen oder umsonst in Anspruch nehmen können (Beispiel: Bioland Mitte für Thüringen und Sachsen-Anhalt).

Der Absatz über verbandsnahe, leistungsfähige und flexible EZGs gehört ebenso zum Angebot einer Mitgliedschaft.

Denn die Verbände werden in Zukunft an Bedeutung verlieren, da die EU-Verordnungen 2092/91 und 1804/99 die Richtlinien für die Öko-Produkte darstellen. Als politische Vertretung reicht eigentlich die AGÖL mit ihren "Landesgruppen" aus, sofern sich diese auf die Richtung und Ziele einigen kann.

Wenn ein Verband nur die Öffentlichkeitsarbeit und die Warenzeichenpflege anbietet, wird ein flächenstarker Öko-Landbauer kaum als Mitglied zu gewinnen sein.

Rainer Löser


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